
Wenn du kommst,
geht die Sonne auf.
Bist du da,
sind alle glücklich.
So möchte ich auch werden.
Dieses Gedicht von Mitsuo Aida sagt: Auch wenn wir nichts Gescheites zu sagen haben, kann sich die Atmosphäre einfach aufhellen. Wenn wir da sind, können sich andere wohlfühlen.
Wir können unglaublich glücklich sein, wenn wir so jemandem begegnen. Wir können diese Person genau beobachten und uns wünschen auch so zu werden.
Wahrscheinlich kennen wir aber auch Menschen, die alle zum Frieren bringen, wenn sie dazukommen. In solchen Situationen fühlen wir uns mit unseren negativen Seiten konfrontiert. Das kann traurig machen. Wir können dann überlegen, inwieweit auch wir zu schlechter Stimmung anderer Leute beitragen.
Die Geschichte von Reiko Kitahara gibt uns ein eindrucksvolles Beispiel.
Reiko Kitahara war eine junge Christin, ihr Vater Universitätsprofessor.
Die Geschichte spielte sich am Rande eines Geschäftszentrums von Tokio ab, einer Gegend, die damals noch von den Bomben des zweiten Weltkriegs in Schutt und Asche lag.
Hier war ein Slum von Lumpensammlern entstanden. Die Leute nannten es die Ameisenstadt.
Reiko ist dorthin gezogen. Die Kinder in der Ameisenstadt konnten keine Schule besuchen, weil sie zu arm waren.
Reiko sammelte sie ein und gab ihnen Unterricht. Außerdem kümmerte sie sich um die Kranken und die einsamen Alten.
Jeden Tag am Morgen zogen die Lumpensammler mit ihren ratternden Leiterwagen los.
Und immer wieder wurden sie von Reiko mit einem strahlenden Lächeln und mit “Einen schönen Tag” verabschiedet.
Und wenn sie abends zurückkamen, wurden sie wieder von Reiko mit einem Lächeln begrüßt, egal wie spät es war.
Und dann sagte sie: “Ihr seid sicher müde. Ruht euch aus”.
Reiko konnte die Lumpensammler mit ihrem freundlichen, unschuldigen Lächeln verzaubern und die Rabauken haben ihre Erschöpfung vergessen.
Und so kam es, dass Reiko zur Mutter der Ameisenstadt ernannt wurde.
Irgendwann erkrankte sie an Tuberkulose. Die Leute bedrängten Reiko, sie solle doch in ihr Elternhaus zurückkehren. Aber sie sagte: “Ich will hier sterben”.
In einer heruntergekommenen Hütte lag sie in einer Ecke auf einer verlotterten Matratze. Der Wind blies durch die Ritzen. Medizin hatte sie keine. Mit weniger als 30 Jahren verließ sie die Welt.
Nach ihrem Tod fand man ein kleines Notizbuch unter ihrem Kissen, dass sie gelegentlich hervorgezogen hatte. Und man fand darin einen bemerkenswerten Satz: “Vergißt du womöglich gerade das Lächeln?”
Allem Anschein verlor sie ihr Lächeln nicht einmal während ihrer Fieberschübe. Trotzdem war sie keine Heilige, sondern eine einfache Frau. Das Weinen war ihr angesichts ihrer Krankheit sicher oft näher als das Lachen. In solchen Zeiten zuckte sie ihr Notizheft hervor und stellte sich selbst diese Frage: “Vergißt du womöglich das Lächeln?”
Lächeln, wenn wir in einer entsprechenden Stimmung sind, ist leicht. Aber allezeit lächeln, auch dann, wenn alle Umstände dagegen sprechen, ist alles andere als einfach.
Lächeln in dem Sinne, dass wir entspannt und offen diesem jeweiligen Moment begegnen, bedarf einer langen Übung des Loslassens.
Dankbar erinnere ich mich an Menschen an ihrem Sterbebett wie sie mir noch einmal zärtlich zugelächelt haben.
Wir tragen Verantwortung welche Stimmung wir verbreiten. Es gibt viele, die meinen, wenn sie in schlechter Stimmung sind, wäre es eben so und dann ist nichts zu ändern.
Wenn wir ehrlich sind, können wir sagen, dass dies alles andere als freundlich ist, andere damit zu behelligen und sie in eine schlechte Stimmung mit hineinzuziehen.
Wenn wir achtsam sind und trotz aller Umstände gelassen bleiben, nimmt das Unerfreuliche zumindest mit uns in der Welt nicht zu.
Shakyamuni Buddha sprach von den sieben kostenlosen Gaben. Eine davon ist das Lächeln. Er wünschte sich, dass alle Menschen die anderen so annehmen wie eine Mutter, die ihren Kindern mit offenen Armen und einem strahlenden Gesicht entgegenkommt.
Mit einem Lächeln grüße ich euch alle,
Christoph
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