Ich suchte und suchte den Frühling,
Ich wanderte ohne Rast
Durch Täler und über Hügel
Und fand ihn nicht in der Hast.
Ich wurde müde im Herzen,
Zog wieder zum heimischen Raum,
Da sah ich in Ruhe im Garten
Meinen blühenden Pflaumenbaum.
Nun schau ich im frohen Entdecken
Das Süße und Wilde zugleich.
Die Seele wird wieder ruhig.
Der Frühling ist friedvoll und reich.
Ryokan
Was Ryokan in diesem wunderbaren Gedicht anspricht, kennen wir alle: Wir wollen hier sein. Wir wollen dort sein. Wir sind ruhelos, rastlos im Herzen. Wir suchen die Ruhe auf den Wiesen und auf den Hügeln. Wir suchen sie in sinnlichen Genüssen. Wir suchen sie im Trubel der Menschen. Wir suchen sie in der Begegnung mit Menschen. Wir suchen und suchen und finden nicht den Halt.
„Ich wurde müde im Herzen“, sagte Ryokan dann weiter. Wer kennt das nicht? Nach dem rastlosen Suchen schleicht sich die Müdigkeit und Erschöpfung ein.
Aber in der Erschöpfung liegt auch etwas, das uns zur Ruhe kommen lässt. Auch beim intensiven Sitzen in der Stille kommen manche zur Erschöpfung. Allerdings ist das der Punkt, wo das Grübeln nachlässt, weil keine Energie mehr da ist …, wo wir einfach nur da sein können.
„Da sah ich in Ruhe im Garten meinen blühenden Pflaumenbaum. Nun schaue ich im frohen Entdecken das Süße und Wilde zugleich.“
Das süße Entzücken beim Sitzen. Wer will das nicht? Die angenehmen Erfahrungen, die Leichtigkeit, das Sitzen im Samadhi, wo Körper und Geist abgefallen sind und nichts mehr da zu sein scheint, was mich beengt.
Aber das Wilde. Das fällt uns oft schwer, anzunehmen. Das Wilde will auch angesehen und angenommen werden. Nur das, was angesehen wird, bekommt Ansehen und kann so zur Ruhe kommen.
Erst wenn wir uns radikal auf das Wilde einlassen, es sein lassen können, wird die Seele wieder ruhig, der Frühling friedvoll und reich.
Beim Sitzen werden Emotionen hochgekocht wie in einem Ofen. Das gehört dazu.
Es geht darum, immer ganz hier da zu sein. Da, wo ich jetzt gerade bin, ob krank oder gesund, lebendig oder tot, reich oder arm.
Jeder Zustand wird erst dann unerträglich, wenn ich ihn mit anderen vergleiche, wenn ich die Realität mit Vorstellungen von gestern sichern will und meinen Frieden nicht finden kann mit dem, was heute ist.
Der chinesische Gelehrte Guo Xiang schreibt, es gehe darum, im Leben die Freuden des Lebens und im Tod die Freuden des Todes zu genießen.
Am besten ist es, den jeweiligen Zustand nicht zu vergleichen und verändern zu wollen, sondern sich ihm zu überlassen - im Vertrauen darauf, dass auch er sich wandeln wird.
Zhuangzi sagt: „Lange bin ich kein Mensch gewesen, weil ich nicht am Wandel teilgenommen habe.“
Wenn wir dem Wandel zustimmen können, in den Lebensprozess einwilligen können, wird sich der Frieden und die Gelassenheit von selbst entfalten.
In diesem Sinne freue ich mich schon auf unser kommendes Sesshin in Reichersberg und auf unser tägliches gemeinsames Sitzen.
Das Sitzen in der Stille hilft uns, die Menschen und alle Geschöpfe vor einem großen Himmel zu sehen und die Dinge mit dem Herzen zu betrachten. Ich freue mich, mit euch täglich zu sitzen.
Viele von euch unterstützen unser Zendo und unsere Sangha so großzügig, wofür ich so dankbar bin.
Euch verbunden,
Christoph
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