
„Lass den Tag nicht verstreichen
Ohne ihm ein großes oder kleines Geheimnis abzuringen.
Es sei dein Leben wachsam,
täglich eine Entdeckung.
Für jede Krume harten Brotes,
die dir Gott gibt, gib du ihm
den reinsten Edelstein deiner Seele.“
Juan Ramón Jiménez (span. Literaturnobelpreisträger)
Wie beginne ich einen neuen Tag? Woher nehme ich die Kraft, mich dem zermürbenden Alltag wieder neu zu stellen?
Der Anfang eines Tages ist eine sensible und kostbare Zeit und manchmal prägt er den Rest des Tages entscheidend mit.
In unserer Zengruppe praktizieren wir seit dem Ausbruch der Pandemie regelmäßig am Morgen die Zenmeditation. Und noch immer sind es täglich fast 60 Personen, die zur gleichen Zeit per Zoom auf diese Weise den Tag beginnen.
Für viele von uns ist dieser Beginn zu einem wichtigen Ritual geworden und nicht mehr wegzudenken.
Wir nehmen im stillen Sitzen den Tag in Empfang - nicht wissend, was er bringen wird.
Jeder Tag der erste.
Jeder Tag ein Leben.
Jeden Morgen
soll die Schale unseres Lebens
hingehalten werden,
um aufzunehmen,
zu tragen
und zurückzugeben.
Leer hinhalten,
denn was vorher war,
soll sich nur spiegeln
in ihrer Klarheit,
ihrer Form,
ihrer Weite.
(Dag Hammarskjöld)
Jeder Tag, jede Stunde, jede Minute, jeder Augenblick ist einzigartig, unwiederholbar und kostbar. Empfänglich sein für diesen neuen Tag und ihn füllen. Womit? Mit Güte, Frieden, Geduld, Mut und froher Zuversicht.
Weil dieser Augenblick so flüchtig und einmalig ist, ist er so kostbar, das verletzlichste Geschenk, das es gibt.
Dieser eine Tag wird uns nur einmal geschenkt, um nie wiederzukommen.
“Diese unerbittliche Einmaligkeit ist nicht nur der Schmerz der Zeit, sondern auch ihr Adel und der Abglanz der göttlichen, einmaligen Ewigkeit.” (Karl Rahner)
Jeder Tag ist ein neues, einmaliges Angebot. Wir können darauf antworten, was die jeweilige Situation von uns verlangt. “Und das flüchtige Geschenk verr-innen-der Zeit reift eine Frucht der Ewigkeit.”
Der neue Anfang eines jeden Tages mag lächerlich klein scheinen: ein wenig mehr Heiterkeit, ein wenig mehr Aufmerksamkeit auf die anderen, ein wenig mehr Verständnis und Großzügigkeit. Mit so scheinbar kleinen Dingen kann ein Neuanfang gelingen. Das Leben - unendlich offen.
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Von Herzen möchte ich allen danken, die unser Zendo immer wieder großzügig durch Spenden und Tatkraft unterstützen. Und jenen, die sich täglich zum Zazen hinsetzen, ob im Zendo oder zu Hause.
In Verbundenheit,
Christoph